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Offener Brief an die junge union Neukölln

Ein Kommentar

Ihr habt gestern einen offenen Brief an das „Kommando Klaus Jürgen (sic!) Rattay“ veröffentlicht. Beim Lesen eures Machwerkes dachte ich zuerst, dass euch beim Cabriofahren die Winterluft die wohlfrisierten Köpfe eingefroren hätte, aber ihr habt das verdammt ernst gemeint. Ihr phantasiert von Straßenterror und fragt besorgt, wer denn entscheidet, wer wo wohnen darf. Dabei ist es für euch ein faktisch religiöses Bekenntnis, dass darüber nur der Geldbeutel entscheiden darf. Wer es sich nicht leisten kann, soll einfach wegziehen. Das erachtet ihr polohemdentragenden Sozialdarwinisten als die natürliche Ordnung schlechthin.

Widerstand dagegen ist für euch selbstverständlich Terrorismus. Eigentum ist euer Fetisch und wer keines besitzt, erntet nur tiefste Verachtung. Die Aktionen vom Wochenende haben euch, wie ich vermute, fürchterlich verschreckt und einige JUlerInnen sind bestimmt gleich besorgt vor die Tür gerannt, um zu schauen, ob das Auto noch intakt ist. Zu wissen, wie voll ihr da die Hosen hattet, amüsiert mich sehr. So erklärt sich auch der verbaler Rundumschlag vom Montag, der sich nicht scheut widerliche Begrifflichkeiten zu benutzen. Wie zum Beispiel: Ihr da in euren Löchern. Selbst die konservative Morgenpost nennt das Schreiben „drastisch, bisweilen martialisch.“

Ihr dagegen, wenn ihr aufgeputscht vom schwarz-rot-goldenen Rauschgift des Patriotismus, Deutschlandfahnen schwenkend, mit euren Autos, dem eingebildeten Symbol der erkauften Scheinfreiheit, durch Neukölln braust, um Deutschland, das miese Stück Scheiße abzufeiern, seid natürlich die besseren Menschen. Da erscheint es der jungen union Neukölln wie eine selbstverständliche, patriotische Aufgabe, wenn ihr einem Rinnsteinblatt und rechtsradikalen Piraten dabei helft, eine Antifaschistin zu „enttarnen“, um dann triumphierend mit ihrem Foto zu posieren, als ob ihr gerade für das Vaterland Stalingrad doch noch erfolgreich erobert hättet. Weiterhin wundert es dann nicht, wenn ihr bitterlich weint, weil ein Berliner Staatssekretär, der Mitglied in einer rechten Burschenschaft ist, sein Amt deshalb niederlegen muss.  Dann nennt ihr das eine Schmutzkampagne, dabei sitzt ihr selbst so tief im Schmutz, dass euch nichts und niemand mehr zu retten vermag. Euch will auch niemand retten.

Wenn Kenny St. Dettmer, einen Naziaccount retweetet, dann wird das verharmlost und hat als einzige sichtbare Konsequenz, dass er zum stellvertretenden Vorsitzenden der jungen union Neukölln gewählt wird. Seine sexistischen Äußerungen in der Vergangenheit scheinen ihm auch nicht geschadet zu haben.

In eurem offenen Brief fabuliert ihr herbei, dass speziell das „Kommando Klaus Jürgen (sic!) Rattay“, der übrigens von der Polizei während einer Häuserräumung in den Tod gehetzt wurde, was euch vermutlich nicht besonders stört, „Unterstützer“ in der „Linkspartei und [bei den] Grünen“ hätte. Diese Realitätsverweigerung ist ein Musterbeispiel für eure ideologische Verbohrtheit. Als eine Horde Neo-Nazis, im September 2015 prügelnd durch die Rigaer Straße zog, da habt ihr geschwiegen. Kein weinerliches Statement mit kruden Drohungen am Ende und mehr oder weniger klammheimlicher Freude über staatliche Repression, wie es jetzt gesehen ist:

Bis dahin könnt Ihr euch auf tägliche Besuche des Staates freuen. Wir stehen hinter unserer Polizei und feiern jede Durchsuchung in euren Löchern hart.

Aber wem schon einmal die Maus abrutschte und unbedarft einen höhnischen Nazibegriff verwendet, wie Christina Rasche, stellvertretende Vorsitzende und Pressesprecherin der jungen union Neukölln, der stört sich nun einmal eher am Widerstand gegen Verdrängung und Ausbeutung, als an marodierenden Neo-Nazibanden in Friedrichshain und anderswo.

Autor: telegehirn

Tot gesagt, wirklich tot gewesen, aber nicht tot zu bekommen.

Ein Kommentar zu “Offener Brief an die junge union Neukölln

  1. Danke!

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